Pressemitteilung der Universität Kiel
Neue Diagnostiken und maritime Anwendungen für Plasmatechnologien
An der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) trafen sich vergangene Woche 35 Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft, um über die Anwendungsmöglichkeiten von Atmosphärendruckplasmen zu diskutieren. Mit solchen Gasentladungsplasmen lassen sich Oberflächen besonders gut beschichten oder reinigen. Mögliche Einsatzfelder sind neben der Oberflächentechnik auch maritime und medizinische Anwendungen. Zentrale Voraussetzung dafür sind kontrollierbare Prozesse. Im Fokus des zweitägigen Workshops, in dem Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Deutschland und Österreich zusammenkamen, stand daher vor allem die Frage nach speziellen Diagnostiken, um diese Prozesse umfassend zu analysieren und zu verbessern. Organisiert wurde der Workshop vom Anwenderkreis Atmosphärendruckplasma in Zusammenarbeit mit dem Institut für Experimentelle und Angewandte Physik der CAU.
Einzigartige Eigenschaften zeichnen Plasmen als vierten Aggregatzustand neben fest, flüssig und gasförmig aus. Das ionisierte Gasgemisch leitet Strom und kann mit einem Magnetfeld in Wechselwirkung treten. Wird elektrische Energie oder Wärme zugeführt, leuchtet es – in Form von Gewitterblitzen oder in Energiesparlampen wird es im Alltag sichtbar. Solch eine hochaktive Umgebung kann unter anderem für die Bearbeitung von Oberflächen genutzt werden. In der optischen Industrie werden zum Beispiel Brillengläser mithilfe von Plasmen mit einer nanodünnen Schutzschicht versehen.
Für die Durchführung solcher Beschichtungsprozesse mit Plasmen braucht es in der Regel Vakuumbedingungen. Die aufwändige Behandlungsumgebung eignet sich jedoch nicht für alle Materialien und Anwendungen. Unkomplizierter ist es, sogenannte Atmosphärendruckplasmen zu nutzen. Ihr Druck entspricht dem der Atmosphäre, sie können also an normaler Umgebungsluft angewendet werden. Angesichts der relativ geringen Gastemperaturen spricht man auch von „kalten Plasmen“.
Einfache Integration in bestehende Produktionsanlagen
„Verfahren mit Atmosphärendruckplasmen lassen sich relativ unproblematisch und vergleichsweise kostengünstig in bereits bestehende Produktionsanlagen integrieren“, betont Dr. Kerstin Horn vom Anwenderkreis Atmosphärendruckplasma. Seit 2009 fördert die bundesweite Austauschplattform diese Technologie der Oberflächenbearbeitung und bringt Forschung, Anlagenbau und Anwendung zusammen. Typische Einsatzfelder für die Atmosphärendruckplasmen sind die Beschichtung von Materialien mit einem Korrosions- oder UV-Schutz oder die Vorbehandlung von Klebe-, Druck- und Lackierflächen, um die Haftung von Metallen oder Kunststoffen zu verbessern.
Im Zentrum des Workshops, der in dieser Woche im Wissenschaftszentrum Kiel stattfand, standen vor allem Verfahren, um plasmabasierte Prozesse zu optimieren. „Um Plasmatechnologien in der Industrie effektiv einsetzen zu können, brauchen wir sichere, regelbare Prozesse. Hierfür müssen wir verstehen, was im Detail passiert und was die zentralen Einflussfaktoren sind“, so Holger Kersten, Professor für Plasmatechnologie an der CAU und Mitorganisator der Tagung. Zum Auftakt des Workshops stellte er verschiedene Diagnostikmethoden vor, darunter eine in seiner Arbeitsgruppe entwickelte Thermosonde, die über die Änderung der Temperatur den Energiefluss zwischen Plasmen und Oberfläche misst – einen der wesentlichen Parameter bei Plasmaprozessen.
Auch maritime und medizinische Anwendungsmöglichkeiten
Ein zweiter Schwerpunkt der Veranstaltung lag auf maritimen Anwendungen. An Oberflächen, die in Kontakt mit Meerwasser sind, bilden sich nach kurzer Zeit störende Biofilme. Anti-Fouling-Beschichtungen, die mit Plasmen aufgetragen werden, können diesen Bewuchs reduzieren. Noch relativ neu ist das Feld der medizinischen Anwendung von atmosphärischen Plasmen. Aufgrund ihrer Einsatzmöglichkeiten an der Umgebungsluft und der vergleichsweise niedrigen Temperatur können sie für die Wundheilung und als alternative Behandlungsmethode zur Bekämpfung multiresistenter Keime eingesetzt werden. „Atmosphärendruckplasmen bieten großes Potential für eine sanfte Behandlung und kleine chirurgische Eingriffe“, hob Jan Benedikt, Professor für Experimentelle Plasmaphysik an der CAU, in seinem Vortrag hervor. „Sie reagieren sehr gut mit biologischem Gewebe und solchen Flüssigkeiten wie sie in Zellen vorkommen. Was an dieser entscheidenden Zone passiert, braucht allerdings noch mehr Forschung.“
Im Rahmen des Workshops hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch Gelegenheit, die Labore der Arbeitsgruppen Plasmatechnologie (Leitung Professor Holger Kersten) und Experimentelle Plasmaphysik (Leitung Professor Jan Benedikt) zu besichtigen. In Kiel gehört die Plasmaphysik schon seit langem zu einem der Schwerpunkte am Institut für Experimentelle und Angewandte Physik. „Die CAU ist eine der wenigen Universitäten Deutschlands, die Forschung und Ausbildung im Bereich Plasmaphysik mit eigenen Professuren fördert“, unterstreicht Kersten die Kompetenz am Kieler Standort.